Wut, Hilflosigkeit und Trauer
... es ist kein Tag, der so verläuft wie ich es mir morgens wünsche.
Auf der Hinfahrt sah ich eine liegende Kuh und registrierte: "Bei der Rückfahrt nochmal hinschauen". Ich schaute nochmal hin und sie lag immer noch auf der rechten Körperseite, in der prallen Sonne.
Als sie mein Näherkommen bemerkte, hob sie ihre Hufe, als wolle sie mir winken und sich bemerkbar machen, denn ihre Stimme war verstummt durch das wahrscheinlich lange "muhen". Aus ihren rollenden großen Augen sprach pure Angst und Hilflosigkeit. Auch auf Ansprache machte sie keinen Versuch aufzustehen und ich begriff: sie konnte nicht mehr.
Ihr Euter war leer und verklebt und aus dem After schaute gedärmartiges Gewebe heraus, das für mich aussah wie eine Nachgeburt. Überall waren Schmeißfliegen und sie besiedelten bereits das geöffnete Maul.
Flugs wanderte ich zum nächsten Bauernhof, wo man mir sagte, die Kuh gehöre nicht zu ihrer Herde, aber es war bekannt, dass es der Kuh seit Tagen - wohlgemerkt seit Tagen - nicht gut gehen würde. Ich fragte nach dem Namen des Bauern, der einige Kilometer weit weg wohnt, und bat ihn anzurufen. Man tat es und schüttelte den Kopf: Er sei nicht erreichbar. Also machte ich mich auf den weg und fand die Bauersfrau im Garten. Sie schrie mich an, ich solle mich aus ihren Angelegenheiten raushalten und verwies mich des Hofes.
Aber was ich noch sah, machte mich traurig. An einer kurzen Kette angebundene Hunde, die nicht bellten und mich nur aus leeren Augen anschauten, die Schwänze eingeklemmt, sobald die Bauersfrau ihre Stimme erhob. 3 junge Katzen purzelten über den Hof. Ich fragte, wieviele Katzen sie habe. Sie sagte: zuviele! Ich fragte, ob sie denn nicht sterilisieren wolle. Sie sagte: sei zu teuer! Aber ich könne die 3 Katzen mitnehmen, sie wolle sie in den nächsten Tagen auf ein außerhalb des Hofes gelegenes Feld fahren, denn dort gäbe es viele Mäuse!! Schnell zog ich unserem Hund, der still im Auto wartete, die Decke unterm Po weg und sammelte darin die 3 kleinen Katzen ein, verknotete die Decke und verschwand vom Hof, bevor es sich die Bäuerin anders überlegt. Hier gab es nichts mehr zu tun!
Ich fuhr zum örtlichen Bürgermeister, dessen Sohn mir sagte, ich müsse die Polizei informieren.
Ich fuhr zur Polizei, die sagte, sie habe anderes zu tun, ich solle den Bürgermeister informieren. Ich sagte: habe ich bereits. Sie sagten: o.k., dann tun wir es nochmal.
Ich rief den Tierarzt an, der sagte: ich kann ihren Auftrag, das Tier medizinisch zu versorgen, nicht annehmen, da sie nicht der Besitzer der Kuh sind, auch dann nicht, wenn sie mir umgehend die Rechnung begleichen. Wir machen uns beide straffällig.
Ich war wütend, hilflos und unendlich traurig als ich bemerkte wie wenig der einzelne Mensch ausrichten kann! "Wir müssen aufstehen, um uns wi(e)dersetzen zu können" und das gemeinsam, denn dann können wir etwas bewirken.
.... am Morgen des 07.07.12 war die Kuh tot. Kurze Zeit später sah man den Bauern mit einem Hänger, die Kuh aufladen und davonfahren. Sie muss ein wunderschönes Tier gewesen sein mit ihren großen hellbraunen Augen und ihrem sicher glänzenden sandfarbenen Fell! Ich werde ihre bittenden, hilflosen Augen noch lange in meinem Gedächtnis haben!
Eure Carola